Was machen wir jetzt bloß? Wie werden wir diese Typen und die miese Stimmung, die sie verbreiten, wieder los? Gemeint sind die Rechten, die mit dem rechts-politischen und rechts-populistischen Spektrum Sympathisierenden, die Neonazis und AfDler:innen, die Lautstarken, die andauernd „das Volk“ sagen, die Trumps dieser Welt und die mit ihnen Fraternisierenden, all die Miesmacher und Menschenverächter, die sich an keine, den sozialen Frieden schützenden Vereinbarungen mehr halten wollen.

Ich schreibe wir und bin mir nicht sicher, wen ich damit genau meine. Meine engsten Freundinnen und Freunde natürlich, meine Wohlfühlcommunity, mein unmittelbares Umfeld. Eigentlich kenne ich keine Rechten persönlich und begegne ihnen auch ziemlich selten. Auch meine Nachbarinnen und Nachbarn, das Verkaufspersonal in Geschäften und Leute, die mir auf der Straße über den Weg laufen sind zu 98 % nett und zuvorkommend und wirken liberal.

Nur gelegentlich schnappe ich eine Bemerkung, eine Stimmungslage auf und bekomme spitze Ohren. Kürzlich im Kino zum Beispiel. Gezeigt wurde der neue Dokumentarfilm über Joan Baez. Überwiegend grauhaariges Publikum. Waren die alle mal Hippies? Sind die in ihrer Jugend für Peace & Love auf die Straße gegangen? Haben die barfuß in Schlabberklamotten getanzt?
Das Paar neben mir sieht im Jahr 2024 nicht mehr danach aus. Sie, die Frau, fingert während des gesamten Films an ihrer Perlenkette herum. Er, der Mann, lamentiert lautstark schon während eines Filmtrailers vor dem Hauptfilm, was für ein Schwachsinn das sei. Kaum läuft der Abspann des Baez-Films, steht der Mann auf, er saß ganz außen, daher kann er den Kinosaal nicht sofort verlassen. Wieder nörgelt er laut, wie blöd die Leute doch seien. Meint er mich, meint er uns, die wir noch sitzen bleiben, den letzten Song anhören, dem Gesehenen einen Moment lang nachhängen?
Vermutlich meint er uns. Ich frage nicht nach, ärgere mich jedoch hinterher, dass ich nicht nachgefragt habe: Meinen Sie mich? Haben Sie gerade gesagt, ich sei blöd?

Beim Verlassen des Kinos drehe ich mich zur Frau mit der Perlenkette um, zeige auf den liegen geblieben Schirm in der Sitzreihe und frage: Ist das ihrer? Ja, ist es. Meine kleine Rache: dass ich freundlich bleibe. Der Mann hat es nicht mitbekommen, der Sinn für Freundlichkeit und das Gegenteil von Blödheit scheint ihm abhanden gekommen zu sein seit er nicht mehr in Schlabberklamotten barfuß tanzt – falls er es je tat. Ich verstehe nicht, wie man so unentwegt schlechte Laune verbreiten mag. Das macht doch keinen Spaß. Die arme Frau an seiner Seite tut mir leid. Aber es war und ist ihre Wahl.

Ein paar Wochen später gehen Hunderttausende in Deutschland gegen Rechts auf die Straße. Die schweigende Mehrheit der Bevölkerung macht sich bemerkbar wie ein schlafender Drache, der kurz den Kopf hebt und sichtbar wird. Die Zivilgesellschaft lebt. Großartig.