In der Pfingstausgabe des Magazins der Süddeutschen Zeitung lese ich von einem in Ägypten aufgewachsenen Mann Anfang 40 – seine Mutter war oder ist Mitarbeiterin des Goethe-Instituts, sein Vater Rechtsanwalt – der über sich selbst sagt „im Herzen Ägypter, im Kopf Deutscher“. Klar, anders herum wäre komisch. Im Herzen Deutscher, damit stünde er sofort unter Nazi-Verdacht. So aber dürfen wir uns einen Mann vorstellen, der die besten Eigenschaften beider Nationalitäten in sich vereinigt. Die Fähigkeit, kühl, strukturiert, zielorientiert zu denken und gleichzeitig warmherzig, großzügig, heißblütig zu empfinden. Wir wissen sofort, was gemeint ist. Der Kopf europäisch, das Herz afrikanisch-arabisch. Das Denken im Kopf, das Gefühl im Herzen, der klassische Zwiespalt des modernen Mannes. Frauen dürfen zu Kopf und Herz wenigstens noch ein Bauchgefühl haben, das nennt man dann Irrationalität. Der menschliche Körper wird in Segmente geschnitten wie ein Tier im Schlachthaus. Kopf und Herz sind die Filetstücke. Uns Europäern gilt natürlich der Kopf als das Heiligste, der Kopf des Feindes wird dem Herrscher auf dem Tablett serviert. Ins Herz der Besiegten beißen die Krieger gleich hinein, das verspricht gesteigerten Mut, Tatkraft, Männlichkeit. Vielleicht meinte der Mann auch, ich bin ein berechnender Macho. Aber so sieht er nicht aus, neben dem Artikel ist ein Foto abgebildet. Er wirkt sympathisch, klug, sinnlich, freundlich.

Wie wäre es, unsere Bäuche nun kreisen zu lassen, die deutsche Sprache probehalber in den Nil zu werfen und ein Pfingstwunder heraufzubeschwören? Der Mann könnte alsbald sagen „in der Lunge Deutscher, in der Leber Ägypter“ oder „mein Blut ist kariert und mit Ornamenten verziert, mein Atem gewebt aus europäischen und orientalischen Winden“. Oder „meine Füße tanzen vielsprachig, meine ausgestreckten Arme verbinden Sonne und Mond“. Oder „meine Darmflora ist eine Oase mit Alpenblick, mein Schweiß schmeckt nach Sauerkraut, Minze und Saflor“. Oder „Augen wie eine Sphinx, Hände wie Beethoven“. Oder „meine Träume sind spielende Kinder, die Nofretete mit Einstein zeugte, sie bauen Sandpyramiden auf Sylt und machen ihren Fahrtenschwimmer in Eselsmilch“…
Schade, dass deutsche Münder selten dergestalt reden, noch nicht einmal, wenn der Mund an der Brust einer Mitarbeiterin des Goethe-Instituts gesäugt wurde. Bleibt zu hoffen, dass uns das Zusammenleben mit den vielen Zugereisten aus dem Morgenland allmählich die Zungen lockert.

PS: Als „Pfingstwunder“ bezeichnet man die in der Apostelgeschichte beschriebene Xenoglossie, also die wunderbare Fähigkeit der Jünger, in anderen Sprachen zu sprechen und andere Sprachen zu verstehen. (Quelle: wikipedia)