Gerade schaue ich mir einige der Reden auf YouTube an, die beim „March for our Lives“ am 24. März von Schülerinnen und Schülern in Washington gehalten wurden. Sehr beeindruckt bin ich von der 18-jährigen Emma Gonzales, eine der Überlebenden eines Schul-Amoklaufs. 14 Mitschülerinnen und -schüler und drei Erwachsene wurden an ihrer Highschool in Florida im Februar 2018 von einem Jugendlichen ermordet, was zum Auslöser für die aktuelle Protestwelle wurde.

Emma Gonzales Auftritt dauert knapp sieben Minuten, genau so lang wie es dauerte 17 Menschen zu ermorden. Die meiste Zeit schweigt sie, mehrere Minuten lang. Sie atmet hörbar, hat Tränen in den Augen, hält es aus, vor 800.000 erwartungsvoll blickenden Demonstrierenden zu stehen. Keine leichte Übung. Ein starkes Bild der Entschlossenheit, des Zorns und des Beharrens. Mit ihrem kahlgeschorenen Haar wirkt sie als ob sie bei der Künstlerin Marina Abramović in die Lehre gegangen wäre. Und vielleicht ist sie das tatsächlich. Abramovićs Ausstellung im New Yorker Museum of Modern Art mit dem Titel „The Artist ist Present“ im Jahr 2010 dürfte viele Menschen in Amerika und anderswo nachhaltig inspiriert haben. Insbesondere die damalige Langzeitperformance, bei der Marina Abramović während der gesamten Ausstellungsdauer, fast drei Monate lang, Museumsbesuchern schweigend gegenüber saß und die Kraft der Passivität bei gleichzeitig höchster geistiger und körperliche Präsenz demonstrierte, fällt mir ein, wenn ich Emma Gonzales dabei zusehe, wie sie still und mahnend ihren Protest – eben nicht hinausschreit gegen die US-amerikanische Politik und Waffenlobby.

Zugleich erinnert sie mich an die Hauptdarstellerin des mehrteiligen Kino-Blockbusters „The Hunger Games“. Im Amerika des 21. Jahrhunderts scheinen Hollywood und die gesellschaftliche Realität nie weit voneinander entfernt zu liegen. Es ist nie ganz klar, wer von wem abschaut und die medialen Abbilder kopiert. Ein Wechselspiel. Auch in Panem, dem fiktiven Schauplatz der „Hunger Games“, ist es eine junge Frau, die mit emotional aufgeladenen weiblichen Gesten den gewalthungrigen Herrscher in die Knie zwingt. Schweigen und singen statt große heroische Reden zu schwingen. Die Folk-Sängerin Joan Baez sei als Vorbild ebenfalls genannt. 1963 sang sie eben hier in Washington während des „Civil Rights March“ ihr berühmtes „We shall Overcome“.

Mein persönliche Lieblingsfantasie ist ja die, dass der amtierende US-Präsident von Frauen wie Emma Gonzales zu Fall gebracht wird. Oder noch besser: von seiner Barbie-Gattin Melania Trump, die einfach mal keine Lust mehr hat auf das präsidentiale Protokoll und diesen peinlichen Typen an ihrer Seite, und die irgendetwas tut, ganz aus dem Bauch heraus und ohne jegliches politisches Kalkül, was ihren Donald noch vor Ende seiner offiziellen Amtszeit zum Straucheln und Stürzen bringt. Schön wär’s.